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Um der Objektivität willen muss man sagen, dass hier nicht alles nur eine Frage der zu kleinen Finanzspritze ist (falls dieser Eindruck beim letzten Mal entstanden sein sollte), sondern dass die Organisation an sich ein Schreckgespenst sondergleichen abgibt. Natürlich ist es schwer, gewisse Abläufe einzuhalten, wenn dreiviertel der Zeit mehr als die Hälfte des Materials out of stock ist – dieses Tier beisst sich sozusagen in den eigenen Schwanz und jeder Enthusiasmus muss vor die Hunde gehen. Trotzdem ist es halt auch viel bequemer, bei allem was man nicht machen mag, zu sagen dass es grad nicht geht, weil dies und das mal wieder fehlt. Will man also einen Patienten gut versorgen, geht man selbst ins Labor und zur Apotheke, nachdem man auch die Vitalparameter schon selbst gemessen hat – das wäre dann die schnelle Variante.
Schwierig oder besser noch zum grässlich Haare raufen sieht es ausserhalb der office hours (man wähnt sich in der Schweiz: 8-12h und 14-17h) aus. Man mag es kaum glauben, aber die Apotheke schliesst um vier (dazu muss man wissen, dass kaum Medikamente in den Stationszimmern gelagert werden), ebenso die Radiologie. Kommt also ein Patient um 18 Uhr und man benötigt ein Röntgenbild, muss man den Guard suchen – das Spital hat zwei Pforten, ca 7 Minuten Fussmarsch voneinander entfernt – bitte ihn, den Röntgenassistenten anzurufen, der dann das Telefon nicht abnimmt. Der Guard macht sich also auf den Weg diesen zuhause abzuholen. Wenn er dann schliesslich da ist (so ca 30 min später), muss er erst die Voltzahl testen, die dann – oh Wunder – für ein Röntgenbild nicht ausreichend ist; in den Abendstunden gibt es in der Regel power cut. Noch schlimmer wird es, wenn seine Vertretung Dienst hat (so wie zum Beispiel gestern), dann muss für diesen Test der Elektriker gerufen werden. Die einzige Person, die das veranlassen kann: Sister Regina. Doch auch sie ist nicht immer  erreichbar (auch wie gestern) – maybe she’s praying: die gutgemeinte Antwort des Guards. Dann möchte man noch gerne ein Labor und vielleicht ein, zwei, drei Medikamente. Also rufe man die Zuständigen zuhause an und warte nochmals mehr als eine Stunde. Entweder lebt der Patient dann noch, oder eben nicht. Zum Glück gibt es zur Zeit die super Uhuine (= weibliche Unterassistentin) Seraina mit einem Flair für Anästhesie. So haben die Patienten wenigstens in nützlicher Frist eine Blutentnahme, einen venösen Zugang und eine Infusion.
Lange Geschichte mit immer noch offenem Ende. Gleich schlägt die Turmuhr Mitternacht, das um halbsechs veranlasste Röntgenbild (emergency) wurde wohl um ca 22:30 Uhr gemacht, der Film: developing – will heissen: vor morgen früh wird es kein Bild geben. Immerhin ist es mir gelungen, im OPs ein wenig Pethidin zu schnorren – jetzt bleibt die Hoffnung, dass es die Patientin durch die Nacht schafft.