mein ding - vor dem abflug


Die meisten Fragen der letzten Wochen und Monate waren äußerlicher Natur: welche Organisation, wo genau in Afrika, was werde ich dort machen, wie wird das Spital sein, wie lange dauert der Flug...in den letzten Tagen vor Abreise wurde ich nach meiner Motivation gefragt. Jeder kennt dieses Gefühl: ertappt zu werden und die fieberhafte Suche nach den richtigen Worten in all diesen Windungen des Gehirns.
Anfangs gab es da einmal diese Medizinstudentin mit grossen Idealen, die voller Goethe-Eifer ewig strebend sich für das Wohle der Menschheit bemüht. In einem Drittweltland mitzuhelfen gehörte solange dazu, bis mir klar wurde, dass ein frisch gebackener Arzt ohne Erfahrung nicht gerade das ist, worauf der Zielort am meisten Wert legt.
Das Reisen ist mir lieb, trotzdem wollte ich an einem Ort ankommen, mich durch Alltag mit Land und Menschen verbinden. Somit wäre auch eine Teilausbildung im Ausland möglich gewesen - die organisatorischen Hürden schienen mir unendlich. Auf dem Weg sind die Ideale und der Enthusiasmus im Schlund der vielen Spitalstunden kleiner geworden. Trotz allem ist das kleine Fernweh-Feuer nie ganz ausgegangen.
Und an Tag X kommt Jana daher und erzählt mir von ihrem Afrika-Projekt, liefert mir die ganze Organisation auf dem Silbertablett. Ein Ja zu Malaria und HIV, zu drei Monaten ohne Stefan, zum Duschen mit kaltem Wasser bei einer Temperatur von 15-25°C, zu Operationen, bei denen ich niemanden dazu rufen kann – so kam die Verheißung gute sechs Jahre nach dem Studium daher. Alles was ich tun musste, war Ja sagen (ich habe dafür Wochen gebraucht – eine Hochzeit wäre geplatzt).
Zurück zur Motivation: ein Abenteuer nur, Austausch der Kulturen, Erfahrungen sammeln – so egoistisch möchte man kaum sein. Ich habe mich auf ein von-allem-ein-bisschen geeinigt.

 Tropfen auf dem heissen Stein

Um diese Reise möglich werden zu lassen, waren mindestens tausend Helferlein involviert. Von „bösen“ Pharmariesen und Spitalapotheke, die mich unkompliziert unterstützen, über Freunde und Familie, die an mich glauben bis zu meinen ehemaligen Arbeitskollegen, die mir mit dem Kashikishi emergency kit, das wundervollste Abschiedsgeschenk gemacht haben. Die vielen lieben Worte werden mich neben Jesus-Pflastern, Brophyllum, Appenzeller und der Mini-Mundharmonika für Blas-mir-in-die-Schuh-Momente begleiten. Unzählige Hebammen, Pflegefachleute und Ärzte, die mich gelehrt haben...
Die Koffer sind gepackt, das Herz trotz großer Vorfreude schwer. Die meisten Fragen sind ohne Antwort und mit ihnen die unterschiedlichsten Gefühle zurückgeblieben. Ich hab die Fragen offengelassen und mach mein Ding – ob gerade oder schräg, ich werde es herausfinden (http://www.youtube.com/watch?v=amY6B53Kbng). Offenheit und Neugierde werden hoffentlich das ihre tun.
Das Schreiben, das Reisen und die Medizin mit ihrem unendlichen Horizont und ihren täglichen Grenzerfahrungen – ein munteres Treffen meiner Liebschaften am gleichen Ort zur gleichen Zeit. Meine Lieben zuhause, die mit großen Augen und Ohren auf die Erzählung meines Abenteuers warten. Medizinmänner- und frauen innerlich bereits halb aufgebrochen warten auf detailliertere Informationen.
Das Schreiben als Notwendigkeit, da die Erzählkunst in gesprochenen Worten bei mir stets nur Asylsuchende bleibt. So ist dieses Blog-Dingens entstanden.