samfya

Samfya. Es gibt ihn, den weissen Strand in Zambia – nicht am Meer, aber am Lake Bangweulu – ohne Billharziose und zum Schwimmen. Überhaupt ist Samfya the place to be für einen Wochenendausflug. Die Reise mit dem Bus dahin benötigt wie immer eine Ewigkeit. Gemäss Distance Calculater ungefähr Zweihundertachtzig Kilometer, Reisedauer sechs Stunden.
Ein Wiedersehen mit den beiden katholischen Priestern – in Zambia sind sie die Verbindung zur grossen weiten Welt und mittlerweile sind sie in erster Linie gute Freunde. Der Eine hat auf dem Weg hierher eine Panne mit dem Bus erlitten, so dass er mit zweieinhalb Tagen Verspätung, nach einer Übernachtung im Urwald – das Schlafzimmer war der Bus - ankommt. Geld zusammengelegt habe man, und eine Ziege gekauft. Diese geschlachtet und gebraten, die Frauen haben währenddessen Nshima gekocht. So hat jeder etwas zu essen bekommen, während auf den Ersatzbus gewartet wurde. Die in Samfya Wartenden schlendern dem Strand entlang, leisten der einsamen Barmaid in der Sun Bar mittags Gesellschaft. Es folgt ein Strandtag mit Picknick und gebratenem Huhn vom Grill.
Im Parish House (das Pfarrhaus – man möge sich eine Art Männerwohngemeinschaft vorstellen, Priester auf der Durchreise), gibt es Verpflegung und Gelächter – übergross hängt das Jesus-Plakat neben dem Fernseher, in dem eine zambische Telenovela das Gehör quält.
Die sich stets wiederholende Frage, welcher Kirchgemeinde man angehöre und der Moment, in dem sich die Augen erstaunt weiten, wenn sie erfahren, dass zuhause die meisten Menschen nicht regelmässig (oder gar nicht) die Kirche besuchen. Der Parish Priest war bereits zu Gast in Europa, er kann die eher freudlose - er nennt es mechanisch – Art der Gottesdienste bestätigen. Anschliessend wird Bier angeboten – es folgt der Versuch, den Unterschied der hier und da gelebten Religion zu erklären: in Europa würde der Priester ungefähr folgendes sagen: „my daughter, you should not drink alcohol“  und  bevor auch nur ein halber weiterer Gedanke durchs Gehirn huschen kann, vollendet der reale Priester vis-à-vis den Satz folgendermassen: „ or you will go to hell !“ und bricht in schallendes Gelächter aus. Ansteckend wie immer. Danach meint er trocken, dass dies mittlerweile eine etwas altmodische Sichtweise wäre. Das Bier: Most, das zambische Lager. Auf dem Etikett sind die Victoria Falls abgebildet, in Bemba mosi-o-tunyia genannt - the smoke that thunders. Unterwegs trifft man immer wieder auf die riesigen Sattelschlepper, die auch in den hintersten Winkeln wie Kashikishi für Mosi-Nachschub sorgen. Im Gegensatz zu Spitalartikeln, gab es beim Bier bisher nie ein out of stock.
Mit den heiligen Vätern kann man ausgehen und tanzen, sie sind ganz einfach ein Teil des täglichen Lebens. Ich liebe ihren selbstkritischen Humor – persönlich und in Bezug auf die Kirche als Institution -  ihre warmherzige Klugheit und die liebevolle Art mit den menschlichen Schwächen umzugehen, das Sein an sich. Man könnte sich glatt bekehren lassen: become a zambian catholic. 
Wieder daheim, also daheim in Kahsikishi: im Garten oder auf der gedeckten Veranda mit Seeblick findet sich der liebste Platz zum Schreiben.
The rains are coming. Man kann es nicht missen, denn zuerst kommt immer der Wind – ein dramatischer Auftritt, man wird nicht müde das Schauspiel am Himmel zu betrachten, wenn Gott die Farbpalette mit den unterschiedlichsten Grautönen auspackt und alles hin und wieder durch einen geschleuderten Blitz erleuchtet wird. Endlich die schweren Tropfen auf dem Wellblechdach – nie mehr möchte man ohne leben.




cleopatra

„Was ist ein Hobby ? Something you do in your freetime“ nennt Cleopatra eine Frage als Beispiel für die letzten Aufnahmeprüfungen für die School of Nursing. Die Anwort kommt mit einem leicht fragenden Unterton. Cleopatra hat als Putzfrau im St. Paul’s gearbeitet – dafür qualifiziert man sich, wenn man Englisch spricht, zuverlässig ist und wahrscheinlich muss man, wie für so vieles hier, katholisch sein. Da sich das Übersetzen mit nur einer nurse on duty immer wieder schwierig gestaltet, insbesondere zu Zeiten ohne Schüler, springen die Putzfrauen ein. Länger als sechs Monate werden diese in der Regel jedoch nicht angestellt, da sie sonst einen regulären Lohn erhalten müssten – auch die katholische Nächstenliebe kennt ihre Grenzen.
Cleo war im letzten Jahr im Medical Ward tätig und stand Doctor Jana treu zur Seite. Wach und wissbegierig wollte sie alles lernen. Ihre Zeit als Putzfee ist abgelaufen, so hat sie in der Zwischenzeit einen Schnellkurs über HIV besucht, wodurch sie nun qualifiziert ist, Tests und Beratungen durchzuführen. Aktuell lernt sie für die Aufnahmeprüfung für die Schwesternschule anfangs März. Das Schwierigste daran, ist der Teil für Allgemeinbildung. Deswegen hat sie die Prüfung letztes Mal auch nicht geschafft. Zeitungen gibt es hier nicht zu kaufen, einzig Frittas (leicht süsse frittierte Teigbällchen) werden in alte Exemplare eingewickelt. Fernsehen und Internet sind wiederum eine Frage des Geldes. Mit Eltern, die aufgrund von gesundheitlichen Beschwerden beide nicht arbeiten können, liegt ein Fernseher genauso wenig drin, wie die Finanzierung einer Ausbildung. Um Allgemeinwissen zu erlangen gibt es also die Schule mit 160 Schülern pro Klasse und das, was man auf seinen täglichen Wegen eben alles so aufschnappen kann. Aus diesem Grund finden sich in der School of Nursing alle Altersklassen vertreten. Einige sparen während Jahren, um sich die Ausbildung finanzieren zu können. Aktuell kostet ein Jahr viertausendneunhundert Kwacha, das entspricht knapp Tausend Franken.
Cleo schreibt emails
Neben einem Minimum an Infrastruktur wie sauberes – und für bestimmte Bereiche, wie zum Beispiel ein Spital, auch fliessendes - Wasser und Elektrizität, gibt es wohl kaum eine nachhaltigere Entwicklungshilfe, wie diejenige, die Menschen vor Ort auszubilden. In diesem Sinne soll hier einmal der Link zum Balser Förderverein erwähnt werden, der Kashikishi in dieser Art und Weise mit Spenden seit zwanzig Jahren unterstützt: http://globalmed.ch
Aber zurück zu Cleo. Sie hat gelernt Hobbies aufzuzählen: Lesen, Sport, Lernen. Bücher bekommt man in Lusaka – und auch hier nur eine beschränkte Auswahl – in Kashikishi also die reinste Utopie. Als man sie dann auch tatsächlich nach dem letzten gelesenen Buch fragte, konnte sie keines aufzählen. Lernen als Hobby– was soll man dazu noch sagen...Bildung als Luxusgut, als Vergnügen. Vage tauchen Sätze aus der Kindheit auf, die besagen, dass man es als Glück empfinden sollte, dass man zur Schule gehen darf...