kashikishi

Wieder alles und alle in die Cessna gequetscht, jedes Mal scheint es ein wenig enger zu werden. Einem Riesengrashüpfer gleich, geht es auf und ab mit 320km/h in Richtung Kashikishi. Francistown (Ausreise aus Botswana und Tanken) – Ndola (Einreise in Sambia, Sandwich und Tanken) – Kashikishi. Ein kurzes Stück den Kongo durchflogen, die Verwandlung der Erde über mehrere Kilometer verfolgt. Von Brauntönen zu Grün und Blau, von Trockenheit zu Wasseransammlungen, von Einöde zu kultiviertem Land. Endlich kommt der immens große Lake Mweru in Sicht. Von oben fallen erste Blicke auf das Spitalareal, vereinzelte Häuser und unzählige Lehmhüttchen.
Am Rande der Rollbahn, einen eigentlichen Flughafen gibt es nicht, scheint sich ganz Kashikishi versammelt zu haben: eine Gruppe in weiß wohnt einem Begräbnis bei, weiter hinten das Empfangskomitee aus Nonnen, Schwesternschülerinnen und Helfern. Gefühlte tausend Augenpaare auf Hüfthöhe starren und lachen, einige senken schüchtern den Blick wenn sich die Augen treffen. Dreikäsehochs tragen noch Kleinere auf ihre Rücken gebunden – nie habe ich dreckigere Kinder gesehen. Wahrscheinlich aber auch nie mehr Neugier und Fröhlichkeit.
Die zwei asphaltierten Straßen laufen seitwärts in die rote Erde aus; bald nimmt die geteerte Strecke ein Ende. Im Schritttempo an der Kirche vorbei, schräg gegenüber liegt das neue Daheim. Einzug ins Swiss House – diese Bezeichnung hat auch schon mehr Komfort versprochen. Dennoch verhilft ein Blech-Tor Haus und Garten mit Blick auf den See zu einer geschützten Insel.
Ebenerdig fügen sich vier Zimmer aneinander, einstmals liebevoll in Gelb und Blau gestrichen, jetzt mit den Spuren der Zeit versehen. Rot wie die Erde ist auch der Boden, seine Farbe verdankt er Schuhwichse. Ein kleiner zur Küche umfunktionierter Raum mit Benzinherd und Abstellkammer. Die Betten sind Metallgestelle mit zum Teil fehlenden Federn und durchgelegenen Matratzen, das Schlafgefühl kommt dem Liegen in einer Badewanne gleich.
Intermittierend gibt es fließendes Wasser, ansonsten wird es von vor dem Haus hinein gebracht, manchmal auch von der nächsten Pumpe Richtung Dorf. Mehrere gefüllte Tonnen in verschiedenen Räumen sorgen für beständigen Wasservorrat. Diesen lernt man schnell zu schätzen, denn das tatsächlich fließende Wasser löst mit seiner Seltenheit schon bald Hurra-Gefühle aus. Wenigstens muss man sich bezüglich Quantität keine Sorgen machen: Grundwasser in Seenähe gibt es reichlich. Der Anblick der Dusche ist und bleibt ein Graus. Das Duschen mit dem Krug aus der Tonne geht nach ein paar Mal üben ganz gut. Allerdings hilft es, diese Tätigkeit im Anschluss an eine hitzige Angelegenheit zu planen. Das WC hat seinem Namen auch schon zu mehr Ehre verholfen: das Spülen, mit von Hand gefüllten Krügen,verkümmert zeitweise zu einer Verdünnungsaktion.
Genauso zuverlässig wie das Wasser ist die Stromversorgung: manchmal kommt am Ende der Leitung nur noch die Helligkeit einer sterbenden Taschenlampe an, regelmässig gibt es während Stunden gar keinen Strom, die Dunkelheit kommt um sechs Uhr abends. Mit Stirnlampe bestückt und Ikea-Leselampen mit Solar-Akkus lässt es sich zumindest essen und lesen.
Die Räumlichkeiten werden mit Geckos,  Spinnen, Kakerlaken und Moskitos geteilt. Unterm Kühlschrank lebt eine Maus – wenigstens fressen die Einen die Anderen, z.B. die Maus den Gecko.
Hinter dem Haus gibt es einen prächtigen Mangobaum. Leider zur Zeit ohne Früchte, dafür beherbergt er eine handtellergrosse Spinne und eine weisse Eule. Dahinter erstreckt sich Lake Mweru gross wie ein Ozean. Abends das Funkeln und Glitzern von zahllosen Fischerbooten; man wähnt sich in einer Bucht der Côte d’Azur.
Das Moskitonetz hängt, der Schlaf kommt.