Krank, der Herd funktioniert nicht mehr, Lucy verlässt das
Haus mit flügelweiten Toren (der Schlüssel liegt auf dem Tisch im Garten) und
jeden Tag sterben die Menschen weiter – mittlerweile auch Menschen, die vor dem
krank sein ein bekanntes Gesicht hatten oder nahe verwandt sind mit einem, das
man jeden Tag wieder sieht. Der Tod kommt leise, flink und schnell. Das Sterben
ist hier nicht weniger traurig als anderswo; regelmässig brechen Menschen an
Beerdigungen zusammen und werden aufgrund dessen ins Spital gebracht. Die
Lücken, die gerissen werden, sind hier sind nicht kleiner – bloss häufiger.
Everybody is dying sagt der afrikanische Arzt, über den Kummer mag er nicht
mehr reden. Wahrscheinlich ist es eine Art europäisches Wünschen, dass die Menschen hier mit dem Tod besser umgehen können, ihm einen bewussteren Platz im Leben geben. Bestimmt ist er mehr im Alltag verankert, aber irgendwie mag man ihn deswegen nicht besser leiden.
Man muss Kriegsbilder bemühen und wie mitten im Kampf sich
selbst, um die Würde nicht sterben zu lassen. Trotzdem kann das bedeuten, die
Resourcen umzuverteilen, dort zu investieren, wo noch eine Chance auf Überleben
besteht. Erinnerungen an Vorlesungen im ersten Studienjahr tauchen auf, die
Darwin’sche Evolutionstheorie sieht sich trotz allen wenns und aber bestätigt.
Und dann kommt der Tag, an dem die Kräfte aufgebraucht sind,
der absolute Tiefflug - das Rad dreht einfach zu schnell. Alles kostet eine Unmenge
Energie, die Nerven liegen blank. Aufprall in der Talsohle, diese verspricht zumindest
eines: irgendwann wird es wieder aufwärts, vorwärts oder wo auch immer hin
gehen. Und es gibt die Gewissheit, dass das Aufrappeln wie immer kommen wird; das eigene Leben erfindet nicht
plötzlich andere Spielregeln, bloss weil es sich in Afrika wiederfindet.
Waschmaschine(n) |
Da gab es den Samstagsplan: gemütlich dem See entlang zum
Markt spazieren (ca 30min), einkaufen und nachher im Restaurant den gestern
bestellten Fisch essen, weil der Herd noch immer nicht tut. Francis hat sich bereit
erklärt, Einkäufe und Muzungus nach Hause zu fahren.
Tomatenkriegerin |
Treffen beim Supermarkt.
Dort finden sich unerwartet nur verschlossene Türen, laut Nachbarn kommt heute keiner
mehr. Odysee mit dem Auto von Shop zu Shop bis alle sieben Sachen gesammelt
sind.
Mit Fisch im Bauch daheim, sind gerade mal sechs Stunden um, nach zwei weiteren kommt die Nacht. Bei Ankunft im Haus läuft Wasser aus der Dusche; das Geräusch hat etwas von höhnischem Gelächter - das passiert prinzipiell nur dann, wenn keiner da ist; nach zwei Minuten ist der Spuk auch schon zu Ende.
Mit Fisch im Bauch daheim, sind gerade mal sechs Stunden um, nach zwei weiteren kommt die Nacht. Bei Ankunft im Haus läuft Wasser aus der Dusche; das Geräusch hat etwas von höhnischem Gelächter - das passiert prinzipiell nur dann, wenn keiner da ist; nach zwei Minuten ist der Spuk auch schon zu Ende.
Die Gedanken wandern zu den Emails und Kommentaren, die
Freude bereiten und Unterstützung bieten. An Menschen, die an uns denken und
uns mutig, stark und tapfer nennen – das Aushalten ist die einzige Tapferkeit
mit der wir aufwarten können, und gerade hat auch diese ihre Grenze erreicht.
old market |
Abends dringt wieder lautes Schreien und Heulen von der
Strasse ins Haus – was anfangs noch eine Frage nach der Quelle dieser Klänge war, ist mittlerweile zur Gewissheit
geworden: es wurde gestorben.
Und dann öffnet sich wie von Geisterhand, der Joghurtdeckel
(manchmal finden sich hier tatsächlich in einem verstaubten Ladenwinkel solche exotischen
Dinge). Die Geschmacksprobe liefert die Antwort: es gärt und lebt. Spuck.
Und dann kommt er leise angeschlichen, der Wendepunkt: ein Fussbad bei Sonnenuntergang.
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