Kind Nummer neun war ihr zu anstrengend. Eine
Beckenendlage - der Körper geboren, der Kopf noch im Leib der Mutter. Die Beine fest zusammengepresst; sie kann, will nicht mehr...dann soll das Kind eben sterben,
sagt sie. Und das tut es, unter meinen Händen hört das kleine Herz auf zu
schlagen. Der Puls wird schwächer, die Zeit zwischen den Herzschlägen wird gross und grösser, bis schliesslich kein Nächster mehr kommt. Das kleine Wesen verlässt diese Welt – nur einen halben Blick hat es
darauf geworfen.
Der Telefonanruf kam beim letzten Bissen Nshima, als der
Körper des Kindes schon draussen war, der Kopf noch drinnen und die Hebamme sich
nicht mehr zu helfen wusste. Rote Staubstrasse entlang rennen, die Schuhe sitzen unpraktischerweise etwas zu locker, die ersten Regentropfen fallen. Kleider nicht gewechselt...noch
immer gibt es im Swiss House keinen Schirm – banale Gedanken. Bei Ankunft ist
das Kind auch da, wird beatmet, hat einen Herzschlag und macht sonst keinen
Wank. Weiter beatmen, der Kreislauf stabilisiert sich, die Atmung ist nicht in
Gang zu bringen...der Entscheid aufzuhören. Gleichzeitig hat die Frau
angefangen, vermehrt zu bluten. Nicht überraschend bei der neunten Geburt und
trotzdem gerade etwas ungünstig. Einer kümmert sich um das Kind, einer um die
Frau. Mehr oder weniger zerstreute Schüler stehen mehr oder weniger brauchbar
zur Seite.
Das Erlebnis zum Anlass genommen, sich die revidierten Empfehlungen
der Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie 2012 zu Gemüte zu führen. In
der Einleitung Hinweise zur guten Planung und optimalen Kommunikation zwischen
Hebamme, Geburtshelfer und Kinderarzt. Weiter unten die Betreuung der Eltern,
der Teamentscheid zum Abbruch der Reanimationsmassnahmen. Hier besteht das Team
aus zwei Personen und aus ganz viel Gott. Er ist auch der Hauptbestandteil des
Careteams für das mitgenommene Personal. Und ebenso die Hoffnung für die
zwanzigjährige frischgebackene Mutter auf der Wochenbettstation mit einer Milz
so gross, wie eine Geburtstagstorte und einem Hämoglobin von 5g/dl trotz
wiederholter Bluttransfusionen. Eine Stunde eher hat sie im Schwall eine
Bettpfanne voll Frischblut erbrochen. Die Therapie besteht aus einer weiteren
Bluttransfusion, Vitamin K und tender loving care. Und der Verlegung nach
Mansa. PPI gibt es keine. Da kommt ein Anruf des katholischen Priesters gerade
recht: glucksendes Lachen am anderen Ende der Leitung – vielleicht doch eine
direkte Verbindung zu Gott - und die Worte eines Freundes. Nirgends enden
Telefongespräche so abrupt wie hier: Talktime aufgebraucht, kein Rubbellos zum
Nachladen im Haus. Für das Aufladen der Zuversicht hat es allerdings gereicht. Und nirgends werden Gespräche so unbekümmert wieder aufgenommen
- wann immer es die Zeit will.
Die beiden nur leicht erschwerten Geburten am Morgen sind
bereits im Verlauf des Tages entschwunden.