Aufwachen in Kashikishi ist immer wieder ein
Überraschungsmoment. Selbst Nicht-Frühaufsteher schaffen es nicht länger als bis viertelvoracht zu schlafen. Der Wecker hat hier von Natur aus diverse Klingeltöne: Kirchenglocke (besser
–glöckchen), es kräht der Hahn – bei ganz grossem Glück direkt
vor dem Fenster
und dann nicht nur einmal, sondern in der Endlosschleife. (Zitat Pascale: „hätt
ich eine Steinschleuder gehabt, ich hätt ihn abgeschossen“). Dann gibt es die
Totenklagen, das Blätterwischen im Garten (zum Glück nicht mehr um vier Uhr nachts), das Geheul einer Hundemeute oder ganz einfach die Geräusche eines
Dorfes, wenn es sein Tagwerk beginnt. Neu hingegen ist das Prasseln von Feuer - eines
sehr grossen Feuers.
Der Garten des Swisshouses wird von einer Mauer umgeben, auf der eine Endlosreihe an Glasscherben das Sonnenlicht bricht. Man könnte sagen, sie stört die Ästhetik der Ausssicht empfindlich. Es gehört hier zum Alltag, dass das Land mittels Brandrodung bearbeitet wird; normalerweise tangiert es das Muzungu-Leben wenig. Fünf bis sechs Meter hohe Flammen machen aber ganz schön Krach, da lässt es sich einfach aufwachen oder besser gesagt unmöglich weiterschlafen. Insbesondere, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob es die Flammen vielleicht nicht doch noch über die Mauer schaffen könnten – haben sie schlussendlich nicht. Übrig geblieben sind schwarze Baumgerippe, verkohlte Gräser und Sträucher. Ebenso Land, das man bearbeiten kann. Und die Mauer als treuer Hüter des Inseldaseins hat eine ganz neue Bedeutung erhalten.
Kirchtum zu St. Paul's |
Der Garten des Swisshouses wird von einer Mauer umgeben, auf der eine Endlosreihe an Glasscherben das Sonnenlicht bricht. Man könnte sagen, sie stört die Ästhetik der Ausssicht empfindlich. Es gehört hier zum Alltag, dass das Land mittels Brandrodung bearbeitet wird; normalerweise tangiert es das Muzungu-Leben wenig. Fünf bis sechs Meter hohe Flammen machen aber ganz schön Krach, da lässt es sich einfach aufwachen oder besser gesagt unmöglich weiterschlafen. Insbesondere, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob es die Flammen vielleicht nicht doch noch über die Mauer schaffen könnten – haben sie schlussendlich nicht. Übrig geblieben sind schwarze Baumgerippe, verkohlte Gräser und Sträucher. Ebenso Land, das man bearbeiten kann. Und die Mauer als treuer Hüter des Inseldaseins hat eine ganz neue Bedeutung erhalten.
Irgendwie hat eine Art Routine Einzug gehalten. Die Versuche
mit Fotos den Alltag, das Andere dieser Welt, festzuhalten und dabei die Feststellung,
wie viele Dinge mittlerweile einfach normal geworden sind – so normal, dass man
sich anstrengen muss, das lohnenswerte Fotosujet mit dem Auge einfangen zu
können. Man ertappt sich beim Gedanken, ob das Spital in den letzten Wochen vielleicht
sauberer geworden ist, wohin all die Geruchsbelästigungen verschwunden sind.
Und erstmals tauchen Gedanken an den Abschied auf, wird ein klein bisschen Wehmut geweckt. Da gibt
es einerseits eine unbändige Freude, zum Beispiel beim Gedanken an eine
stundenlange Dusche mit richtig warmem Wasser bis sich die Haut auflöst, die
Haare ausfallen und Schwimmhäute wachsen. Und dann gibt es alle diese
wunderbaren Menschen hier, die Freundlichkeit von alltäglichem Sonnenschein. Zum Beispiel Patricia, eine meiner Lieblingshebammen, die uns eine Kashikishi-Pizza (Piessa gesprochen) besorgt (für sambische Verhältnisse mit beinahe unheimlicher Schnelligkeit), im Swisshouse niemanden antrifft und sich einfach selbstverständlich in die OPs-Umkleide setzt und wartet, bis wir spätabends fertig sind. Eine kleine Pizza für vier Personen und trotzdem ein Hauch von Geburtstag und Weihnachten in einem.
25 Kwacha = Gourmetmenu |
Die versuchte Aufklärung über das Geheimnis all dieser
grünen Blätter an einem ruhigen Morgen im Gebärsaal: da gibt es doch
tatsächlich Vorlieben für die Blätter von Süsskartoffeln, Kürbis oder Cassava.
Grosses Erstaunen meinerseits, sind es doch eben einfach alles grüne Blätter,
wenn auch zugegebenermaßen mit leichter Varianz im Geschmack. Irgendwie kommt das Bild von Ziegen auf, die einander erklären, von welchem Strauch sie die
Blättchen am liebsten fressen. Das helle Lachen von Kalolekesha, der Hebamme
mit dem kompliziertesten Namen und dem grössten Sprudel-gute-Laune-Charakter, über diese
Undifferenziertheit des Muzungu-Geschmackssinnes. Und das eigene geistige Schlaraffenland, dass bei Ankunft zuhause für mindestens drei Tage einen verdorbenen Magen verspricht. Es ist erstaunlich, wie sehr die Nahrungsmitteleinöde aufs Gemüt schlägt. Man könnte denken, dass es zu mehr Bescheidenheit bezüglich kulinarischer Ansprüche führen würde - aber irgendwie trifft genau das Gegenteil zu und es ruft nicht einmal Schamgefühle hervor. Man liebt und vermisst, was man kennt. Kalolekesha berichtet über Kummer, wenn sie zwei Tage kein Inshima essen kann, Patricia braucht jeden Tag ihre grünen Blätter...
Ein Leben ohne den allgegenwärtigen Staub von Kashikishi mit
all seinen mehr oder weniger zauberhaften Eigenheiten scheint genauso undenkbar, wie ewig hierzubleiben.